Ballhof Hannover

Generalkonvent des Sprengels Hannover diskutiert über Kirchentagsmotto

Nachricht 28. August 2024

"Mutig - stark - beherzt" angesichts Erschütterungen

Hannover. Als „Mikro-Kirchentag“ unter dem Motto „Mutig – stark – beherzt, Wie soll das angesichts der inneren und äußeren Erschütterungen unserer Kirche gehen?“ hat jetzt der Generalkonvent des Sprengels Hannover stattgefunden. Kristin Jahn, Generalsekretärin des Kirchentages, war in der Epiphaniaskirche Hannover zu Gast und legte in ihrer Bibelarbeit zu Römer 8, 31-39 das Tagungsmotto aus.

Jahn sieht die Kirche durch dreifache Erschütterungen in einer Identitätskrise. Angesichts der jetzt publik gewordenen sexualisierten Gewalt durch kirchliche Mitarbeitende erlebe die Kirche einen Bedeutungsverlust und sei in eine Glaubens- und Glaubwürdigkeitskrise geraten. „Wir stehen in der Schuld, Betroffenen Antwort zu geben“, sagte die Theologin. Der Mitgliederschwund sei eine zweite Erschütterung, „wir sind keine Volkskirche mehr“. Weiter sei die Kirche kaum noch Kitt in einer sich zunehmend polarisierenden Gesellschaft. „Die Kirche möchte sich positionieren und Haltung zeigen und das zerreißt uns“, stellte Jahn fest. Bibelworte wie „Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein“ verführten aus dem Zusammenhang gerissen zu Arroganz, Hybris und Machtmissbrauch.

Ebenso sei die Kirche durch ihr schon jahrhundertelanges Paktieren mit weltlichen Mächten in eine „Knechtschaft und Abhängigkeit geraten“, die „Missbrauch und das Schützen der eigenen Institution“ begünstige. Der Gedanke, dass die Kirche im Hinblick auf die sexualisierte Gewalt ihre Schuld selbst aufarbeiten könne, sei fatal, sagte die Generalsekretärin unter dem Applaus der rund 170 Anwesenden. „Diese Straftaten gehören vor weltliche Gerichte“, bekräftigte sie. Jahn plädierte für ein Miteinander in der Kirche, bei dem niemand über andere richtet, denn „theologisch sind wir Sünder und Gerechte“. Es sei, auch für sie persönlich, eine stete Lernaufgabe, sich nicht über den Nächsten zu stellen, sondern gemeinsam mit ihm vor Gott.

Kirche kann sich nicht selbst aufarbeiten

Reinhard Bingener, Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, moderierte die anschließende Podiumsdiskussion, in die auch Fragen aus dem Publikum einflossen. Die Zahlen der letzten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung belegten die steigenden Austrittszahlen, doch auch angesichts begrenzter Handlungsspielräume sei es wichtig, nach Gestaltungsmöglichkeiten zu suchen, sagte Dr. Friederike Erichsen-Wendt, Referentin für Strategische Planung und Wissensmanagement bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Pastor Dr. Nikolas Keitel, der als Pastor in den ersten Amtsjahren an dem Podium teilnahm, kritisierte unter dem Applaus der Zuhörenden, dass „die Strukturen der Kirche nicht für eine Transformation gemacht sind“. Konkret bedürfe es beispielsweise bei Gebäudefragen langer Prozesse, hier wünsche er sich mehr Entscheidungsgewalt auf der mittleren kirchlichen Leitungsebene. „Wir müssen mehr ‚vor die Lage‘ kommen als nur zu reagieren“, sagte Keitel.

Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr sieht „Lust, Angst und Abwehr“ in Bezug auf Veränderungen. Sie wies aber auch auf die Schwierigkeiten der gegenwärtigen rechtlichen Strukturen hin, beispielsweise bei der Körperschaft der Kirchengemeinden. Bei dem Thema „Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt“ bekräftigte Dr. Bahr, dass die Kirche sich nicht selbst aufarbeiten könne, dies sei eine staatliche Aufgabe. Allerdings merkte sie auch an, dass sich staatliche Institutionen dieser Aufgabe mit dem Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirche teilweise verschlössen.

Pastor Andreas Behr vom landeskirchlichen Kirchentagsteam stellte nach der Podiumsdiskussion den gegenwärtigen Stand der Vorbereitungen auf den Kirchentag 2025 in Hannover dar und rief die PastorInnen und Gemeinden zur Mitwirkung auf. Der Generalkonvent endete mit einem „Feier-(mittags)mahl“ im Garten der Epiphaniaskirche, das in Anlehnung an die Feierabendmahle beim Kirchentag gestaltet war.

Dr. Petra Bahr zitierte in ihrer Ansprache die Interpretation des Wortes „beherzt“ durch eine social-media-affine Jugendliche. Für diese bedeutete beherzt zu sein, sich durch möglichst viele zustimmende Herzchen in ihrer Smartphone-Timeline wie umarmt zu fühlen. „Das ist kein Missverständnis, sondern sehr biblisch“, sagte die Regionalbischöfin. „Gott schickt uns Herzen in unsere Lebens-Timelines und zeigt uns damit, dass er uns annimmt wie wir sind.“

Sabine Dörfel / Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Hannover

Presse- & Öffentlichkeitsarbeit

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