Unter dem Psalmwort 55,18 „Erhört mein Klagen“ fanden sich über 300 Menschen am 24. April 2015 in der Neustädter Hof- und Stadtkirche ein, um dem Völkermord an den Armeniern, Aramäern und Pontosgriechen vor 100 Jahren zu gedenken. Landessuperintendentin Dr. Ingrid Spieckermann sprach davon, wie schwer es ist, imm wieder an das Leid erinnern zu müssen.
"Stumm. Stumm sollten sie gemacht werden. Die 1 bis 1,5 Mio Armenier und anderen christlichen Minderheiten, Aramäer, Pontosgriechen. Stumm sein und stumm bleiben – das ist unerträglich. Ich habe es bei unserer Vorbereitung gespürt, was es bedeutet, keine Stimme zu haben. Nicht anerkannt zu werden in den Schrecken, die da geschehen sind. Hundert Jahre lang. Hundert Kerzen brennen hierfür im Altarraum," so Landessuperintendentin Dr. Ingrid Spieckermann in ihrer Predigt.
Auf den Tag genau vor 100 Jahren begann der Völkermord mit der Verhaftung und Deportation der armenischen Elite in Konstantinopel. In den folgenden Monaten wurden Armenier und andere christliche Minderheiten wie die Aramäer und Pontosgriechen in Sammellagern zusammengefasst und auf Märsche durch die syrische Wüste geschickt. Ohne Nahrung und Wasser überlebten nur die wenigsten diese Todesmärsche. Überlebende wurden später ermordet. Ihre Zahl kann nur geschätzt werden: 1 bis 1,5 Millionen Menschen sollen ihr Leben verloren haben. Es ist der erste systematische Völkermord in Europa. Ziel war es, Armenier aus den Siedlungsgebieten in der heutigen Türkei zu vertreiben und eine ethnisch und religiös homogene Türkei zu schaffen. Dies alles fand unter Beobachtung von deutschen Militärberatern und -beobachtern statt. Das deutsche Kaiserreich, Verbündeter des Osmanischen Reiches, unternahm nichts, um den Völkermord zu verhindern.