"Solidarität unter den Menschen ist Pendant zur Menschliebe Gottes".
Mit einer ungewöhnlichen Aktion ist gestern in Hannover in der Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis der zentrale ökumenische Eröffnungsgottesdienst der Gebetswoche für die Einheit der Christen gefeiert worden. In dem in der Kirche aufgestellten Rettungsboot lagen Rettungswesten, mit denen die Mitwirkenden auf Werte wie Versöhnung und Gastfreundlichkeit, Umkehr und Hoffnung hinwiesen. Die Aktion sollte als ein Appell für Mitmenschlichkeit und Gastfreundlichkeit in einer Welt verstanden werden, in der immer mehr Menschen in Armut und Not leben und auf Hilfe angewiesen sind. In seiner Predigt benannte Erzpriester Radu Constantin Miron, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), „Solidarität unter den Menschen als das Pendant zur Menschenliebe Gottes“.
„Die Menschenliebe ist ein Attribut Gottes, vielleicht sogar das eigentliche Attribut Gottes“, sagte Miron. In Bezug auf die biblische Erzählung vom Schiffbruch des Apostels Paulus und seiner Begleiter, der sich um das Jahr 60 nach Christus vor der Insel Malta ereignet haben soll, und die entgegen-gebrachte Gastfreundschaft (Apostelgeschichte 28,2) sagte der ACK-Vorsitzende weiter: „Es geht bei der Geschichte vom Schiffbruch um viel mehr als um ein wärmendes Lagerfeuer an einem verregne-ten Strand auf Malta oder woanders. Es geht – und damit sind wir in der Aktualität gelandet – um die Frage nach unserem Menschenbild – warum nicht auch in der Flüchtlingsfrage?“. Miron rief dazu auf, „das Bild Gottes in jedem Menschen zu suchen und zu entdecken“.
Der Niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne sagte in seinem Grußwort im Anschluss an den Gottesdienst, die Kirchen in der ACK lebten vor, „dass es gut ist, im Gespräch zu sein, sich gegenseitig immer besser kennenlernen und verstehen zu wollen und ständig neue Schritte der Annäherung zu machen. So entsteht Gemeinschaft in Vielfalt.“ Der Kultusminister sagte weiter: „Darin sind die Kirchen ein Vorbild für unsere Gesellschaft. Die Verständigung über das, was verbindet, steht an erster Stelle. Die Überwindung der Fremdheit funktioniert aber nur durch Begegnung, Kommunikation und Austausch. Und dann lässt sich auch über das sprechen, worin wir uns voneinander unterscheiden. Auch dazu braucht es Sensibilität und Offenheit. Aber es gibt politische Kreise in unserem Land, die sich den christlichen Werten unseres Grundgesetzes wie Menschenwürde und Gerechtigkeit verweigern, mit Vokabeln aus der Zeit des Holocaust wie ,Festung Europas‘ oder ,das Boot ist voll‘. Zugleich berufen sie sich auf die ,christliche Tradition des Abendlandes‘. Es ist gut, wenn sich die Kirchen von dieser Art von Inanspruchnahme christlicher Werte distanzieren. Wer sich aufs Christentum als ein Fundament Europas beruft, darf auch die Apostelgeschichte nicht ausblenden.“
Der Gottesdienst wurde gestaltet von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland, der ACK Niedersachsen sowie der ACK Hannover. Ihre Teilnahme an dem Gottesdienst hatten unter anderen der Bürgermeister von Hannover, Klaus-Dieter Scholz, sowie weitere Vertreter aus Politik und Gesellschaft und ranghohe Vertreter der christlichen Kirchen in Deutschland angekündigt.