Ballhof Hannover

Politische Predigt wird durch persönliche Glaubwürdigkeit wirksam

Nachricht 10. Juni 2023

Berliner Pfarrerin Kathrin Oxen ermutigt Ehrenamtliche zur Freiheit beim Predigen

Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr (M.) und Lektoren-Sprengelbeauftragte Christine Behler (l.) hatten die Berliner Pastorin Kathrin Oxen als Referentin zum Konvent eingeladen. Foto: Sabine Dörfel

Hannover. "Eine Predigt ist immer politisch“, sagte Pastorin Kathrin Oxen jetzt beim Sprengel-Konvent der LektorInnen und PrädikantInnen in der Neustädter Hof- und Stadtkirche  Hannover. Selbst das Ausklammern weltlicher Themen aus der Predigt transportiere eine implizite politische Stellungnahme, betonte die Pastorin der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in ihrem Vortrag „Die Stimme der Wahrheit“ – politisch predigen heute". Sie ermutigte die Ehrenamtlichen, die „unabhängiger als kirchliche Amtsträger“ seien, diese Freiheit in ihren Predigten zu nutzen.  

Politische Predigten seien in den 80er Jahren in Verruf gekommen, räumte Oxen ein, da sie häufig eine zu enge politische Agenda vermittelt und „gesetzliche Forderungen“ aufgestellt hätten. Vorbildhaft und prägend nannte sie dagegen die berühmte Predigt Martin Luther Kings „I have a dream“, da diese Visionen aufgezeigt und etwas bewirkt habe. Vor dem Hintergrund, dass es niemals die Entscheidung gebe, „ob man politisch predigt, sondern nur wie dies geschieht“, formulierte die Pfarrerin Leitlinien einer politisch wirksamen Predigt.  „Wenn eine Predigt ethische Forderungen enthält, sollten diese erfüllbar und in ihren Konsequenzen durchdacht sein“, sagte sie.

Oxen riet auch dazu, die eigene Person mit in den Bezugsrahmen solcher Forderungen zu stellen. „Forderungen an andere zu stellen und über Menschen zu wettern, die nicht im Gottesdienst anwesend sind, ist billig“, bemerkte sie. „Unsere persönliche Glaubwürdigkeit ist gerade angesichts der Krise in der Kirche das Kostbarste, was wir haben.“ Die Gemeinde messe Predigende an ihren Aussagen. Sie ermutigte die PrädikantInnen deshalb, „auch von sich zu sprechen, von eigenen Zweifeln, Grenzen und Unsicherheiten“. Dies erfordere jedoch auch eine ehrliche und häufig auch anstrengende Beschäftigung mit den eigenen Standpunkten und der eigenen Person.

Humor hilft bei schwierigen Themen

Eine politische Predigt müsse auch mit Emotionen, Widerspruch und Verärgerung rechnen, dies sei das „Ziel, aber auch das Risiko einer politischen Predigt“ sagte die Referentin. Gegen den „Wahn der Welt und für die Ordnung Gottes (Wilfried Engemann)“  zu predigen, sei unbequem und mutige Predigende würden nicht immer geliebt. „Die Propheten des Alten Testaments mussten häufig überredet oder gezwungen werden oder sind wie Jona ihrem Auftrag anfänglich ausgewichen“, erinnerte Oxen. Doch häufig hülfen Humor oder sogar Ironie, schwere Themen zu vermitteln, sagte sie, und nannte beispielshaft Desmond Tutus Predigten während der Apartheids-Zeit in Südafrika.  Auch die seelsorgerliche Funktion einer Predigt dürfe bei aller politischen Akzentuierung nicht vergessen werden, denn „Menschen brauchen Trost und Stärkung“.  Ebenso sei es wichtig, einen der Predigt zugrunde liegenden Text nicht zu vereinnahmen, sondern ihn immer als ein „Gegenüber“ zu sehen und ihn in seinem damaligen politisch-kulturellen Kontext zu würdigen.  

Die große Wichtigkeit, sich der politischen Dimension des Predigens in der aktuell von Krisen erschütterten Welt bewusst zu sein und diese zu nutzen, betonte auch Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr, die die Referentin als mutige und profilierte Theologin würdigte. PrädikantInnen berichteten bei der anschließenden Diskussion von ihren Erfahrungen mit politisch akzentuierten Predigten, die gerade auch im dörflichen Kontext manchmal zu Kontroversen mit Interessengruppen geführt hätten. „Doch Kirche dürfe auch nicht weichgespült auftreten“, hieß es weiter und Oxen betonte in diesem Zusammenhang, dass PrädikantInnen „durch ihre Lebenserfahrung, ihr Expertentum und den Blickwinkel anderer Berufe“ wertvolle Impulse in die Kirche brächten. Und sie erinnerte daran, dass Predigthörende „mündig, autonom und klug sind und selber entscheiden, was sie aus einer Predigt mitnehmen und in Handlung umsetzen wollen“.   

Positive Reaktion auf Radio-Gottesdienst

In ihrem Bericht wies Pastorin Christine Behler, Beauftragte des Sprengels für Lektoren- und Prädikantenarbeit, auf die zahlreichen Treffen und Fortbildungen hin, die im vergangenen Jahr stattgefunden hatten. Herausragend sei auch der Radio-Gottesdienst am Pfingstsonntag gewesen, den sechs Ehrenamtliche entscheidend mitgestaltet hätten. Hier habe es auch eine sehr positive Rückmeldung seitens der NDR-Chefredaktion gegeben, ergänzte Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr. Quartiersexkursionen mit LektorInnen und PrädikantInnen vermittelten dörfliche Lebenswelten, ein Museumsbesuch lud zum Gestalten und Betrachten ein, junge PrädikantInnen unternahmen erste Schritte in der Gottesdienstgestaltung, berichtete Behler weiter.   

Regionalbischöfin Dr. Petra verabschiedete bei dem Konvent den Engelbosteler Pastor Rainer Müller-Jödicke, der am 3. September in sein neues Amt als Superintendent des Kirchenkreis Neustadt-Wunstorf eingeführt wird. Der 45-jährige Pastor war bereits seit sechs Jahren stellvertretender Superintendent im Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen. Musikalisch wurde der Konvent von Pastor Andreas Hülsemann am Keyboard und der Sängerin Chiara Bon begleitet.

Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Hannover/Sabine Dörfel

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