Regionalbischöfin Bahr betont Verbundenheit von Juden und Christen
Hannover. Deutschlands größte liberale jüdische Gemeinde in Hannover hat am Freitagabend das zehnjährige Bestehen ihrer Synagoge "Etz Chaim" ("Baum des Lebens") gefeiert. Die Synagoge war im Januar 2009 in einer früheren evangelischen Kirche eingeweiht worden. In der Feierstunde erinnerte die Gemeindevorsitzende Ingrid Wettberg daran, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg in Hannover nur noch 20 überlebende Juden gegeben habe. Heute gebe es wieder reges jüdisches Leben in Deutschland, vor allem durch zugewanderte Juden aus Osteuropa.
"Die Freude darüber wird immer verbunden bleiben mit der Trauer über jene, die einen qualvollen Tod starben", sagte Wettberg mit Blick auf den Holocaust-Gedenktag an diesem Sonntag (27. Januar). Zur Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover gehören heute rund 800 Mitglieder aus 18 Nationen.
Die Synagoge "Etz Chaim" wurde vor zehn Jahren in der 1968 erbauten Gustav-Adolf-Kirche eingerichtet, die 2007 entwidmet worden war. "Eine Kirche musste aufgegeben werden, was für die Beteiligten sehr schwer war", sagte Wettberg. "Aber es ist ein Gotteshaus geblieben, es wurde kein Fitness-Zentrum oder Autohaus wie in anderen Städten." Vor dem Umzug in die umgebaute Kirche hatte die Gemeinde Räume in einem Bürohaus angemietet.
Die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr erinnerte in einem Grußwort an die Reichspogromnacht 1938, bei der in ganz Deutschland zahlreiche Synagogen zerstört wurden. "Dass ein evangelisches Gemeindehaus seit zehn Jahren ein jüdisches Gemeindehaus ist, kann auch als Kommentar gegenüber dem blasphemischen Schweigen der Kirche verstanden werden, als Willen zur theologischen und praktischen Selbstkorrektur, zur Buße", sagte sie.
Damit der jüdische "Baum des Lebens" weiter wachsen könne "mit starken Ästen, die über den Zaun weit in die Stadt ragen dürfen", werde die Kirche im Blick auf Antisemitismus und Judenhass wachsam sein: "Hass oder Dummheit oder die gefährliche Mischung aus beidem werden wir, werde ich nicht dulden, weil jede Form der Judenfeindschaft nicht nur ein Angriff auf Sie, sondern auch Gotteslästerung ist", unterstrich die Theologin.
Rabbiner Gabor Lengyel erinnerte daran, dass die jüdische Gemeinde im Laufe der Jahre zusammengewachsen sei, obwohl ihre Mitglieder ganz unterschiedliche Hintergründe hätten: "Wir haben verschiedene Kindheitserfahrungen, unterschiedliche jüdische Identitäten, diverse Erinnerungskulturen, auch grundsätzlich divergierende politische Meinungen", sagte er: "Aber eines haben wir seit unserer Gründung gezeigt: Jede Jüdin und jeder Jude ist für den anderen verantwortlich."
epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen