Ballhof Hannover

Nürnberger Künstler gestalten ein 'Hörmal' für Schweringen

Nachricht 09. Dezember 2019

Umstrittene "Hakenkreuz-Glocke" erhält neue Inschrift

"Piaculum" (lat. Versöhnungsmittel) ist der Titel der quaderförmigen Skulptur der Künstlerduoas Arnold und Eichler, die mit einem Negativabdruck auf die Glocke im Turm hinweisen soll (Fotomontage: Atelier Arnold+Eichler).

Schweringen/Kr. Nienburg. Die Kapellengemeinde Schweringen hat das Nürnberger Atelier Arnold+Eichler mit der künstlerischen Umgestaltung ihrer Glocke aus der Nazi-Zeit beauftragt. Der Entwurf der Künstler Hannes Arnold und Klaus-Dieter Eichler mit dem Titel ‚Piaculum‘, lat. für ‚Versöhnungsmittel‘, sieht eine neue Beschriftung der Glocke vor, welche die ursprüngliche Inschrift sowie die weggefrästen Stellen überschreibt. „Der neue Text, direkt auf das Metall aufgebracht, legt sich wie eine Schärpe auf die Glocke und lässt die Spuren der Zeiten durchscheinen, zeigt aber das neue Verständnis und die Haltung zur Vergangenheit.“, erläutern die Künstler ihren Entwurf. „Nichts von der Geschichte wird verleugnet oder in einen früheren Zustand zurückgeführt“, so die Künstler.

Im Außenbereich der Schweringer Kreuzkirche soll zudem eine Skulptur aufgestellt werden. In einen seitlich geöffneten, 1,70 Meter hohen, würfelförmigen Monolith ist die Negativform der Glocke eingearbeitet, was an ihre Gussform erinnern soll. Stellt sich ein Betrachter vor diese Aushöhlung und spricht hinein, reflektiert der Schall zurück. Der Betrachter sei so aufgefordert, „seine Position zur Geschichte zu bedenken“, heißt es im Erläuterungstext der Künstler. So werde aus einem Denkmal ein „Hörmal“.

Die Skulptur wird aus gemahlenem Klinker angefertigt, dem lokales Material, etwa Abbruchsteine aus Schweringen, zugesetzt wird. Auf die Seitenflächen sollen durch Sandstrahlen Texte zur Glockengeschichte eingearbeitet werden. Gemeinsam mit den Künstlern sowie fachlicher Beratung befasst sich eine Arbeitsgruppe aus Vertreter*innen der Kapellengemeinde und des Kirchenkreises mit der Auswahl der neuen Glockeninschrift und den Informationstexten für die Skulptur.

­„Der künstlerische Entwurf des Ateliers Arnold+Eichler überzeugt mit seiner schlichten, aber umso präziseren Aufforderung, sich – wortwörtlich - der Geschichte der Schweringer Glocke zu stellen. Ich freue mich, dass die Beratungen in der Jury einvernehmlich waren. Die einstimmige Entscheidung ist kein mühsam errungener Kompromiss, sondern Ausdruck der gemeinsam geteilten Begeisterung für die künstlerische Idee.“, sagt Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr, die als Jury-Mitglied an der Entscheidung mitgewirkt hat.

(Fotomontage: Atelier Arnold+Eichler)

Hintergrund

Auf der 1934 gegossenen Glocke war 2017 ein etwa 35 mal 35 Zentimeter großes Hakenkreuz entdeckt worden. Die Landeskirche bot daraufhin einen Austausch der Glocke an. Einige Schweringer sprachen sich für den Verbleib der Glocke aus. Im Verlauf des Streits über den weiteren Umgang stiegen Unbekannte im März 2018 heimlich auf den Kirchturm und frästen das Hakenkreuz und Teile der Inschrift mit einem Winkelschleifer weg. In einem Gottesdienst am Buß- und Bettag 2018 wurde die Glocke offiziell entwidmet und durch den Geistlichen Vizepräsidenten des Landeskirchenamts, Arend de Vries, außer Dienst gesetzt. Die Kapellengemeinde Schweringen und die Landeskirche hatten sich zuvor auf eine Umgestaltung der Glocke im Rahmen eines Künstlerwettbewerbs geeinigt.

Eine Jury mit Vertretern der örtlichen Kapellengemeinde, des Kirchenkreises Nienburg und der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers hatte die eingereichten Beiträge im November gesichtet, diskutiert und sich letztlich einstimmig für den Beitrag des Nürnberger Ateliers Arnold+Eichler ausgesprochen.

(Text: F. Gartmann)

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