Ballhof Hannover

Gemeinsam gegen Judenhass

Nachricht 09. November 2019

500 Bürger*innen versammeln sich zu "Ring der Solidarität"

(Foto: F. Gartmann)

Hannover (epd). Mit einem "Ring der Solidarität" vor drei Synagogen haben mehr als 500 Bürgerinnen und Bürger aus Hannover am Freitag ein Zeichen gegen Judenhass und Antisemitismus gesetzt. Das "Gift des Antisemitismus" dürfe sich nicht weiter ausbreiten wie ein tödlicher Infekt, sagte die evangelische Regionalbischöfin Petra Bahr zum Abschluss der Aktion vor der Liberalen Jüdischen Gemeinde. Sie erinnerte dabei auch an den Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober. Es war die erste Aktion dieser Art in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Aufgerufen hatte der Rat der Religionen.

Mit weißen Kerzen demonstrierten die Teilnehmer für eine tolerante und friedliche Gesellschaft. "Wir brauchen Widerstand gegen die, die das Zusammenleben der Vielen, der Unterschiedlichen, der Freien und Gleichen nicht ertragen", sagte Bahr. Das Virus des Antisemitismus sei nie weg gewesen. "Aber jetzt erleben wir seinen neuen Ausbruch." Die Theologin erinnerte auch an Angriffe gegen Rabbiner und antijüdische Hetze im Internet. An die jüdischen Gemeinden gewandt, betonte sie: "Wir stehen an Eurer Seite."

Die Synagogen-Gemeinden zeigten sich dankbar für die Aktion. "Das ist für uns ein sichtbares Zeichen großer Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft", sagte Ingrid Wettberg von der liberalen Gemeinde. Nach dem Anschlag von Halle habe sich das jüdische Gemeindeleben von einem auf den anderen Tag völlig verändert. "Deshalb ist es so wichtig zu erfahren, dass wir nicht alleine sind." In Halle hatte ein Rechtsextremist zwei Menschen erschossen, nachdem es ihm nicht gelungen war, in die abgeschlossene Synagoge einzudringen. Wettberg betonte: "Wir möchten nicht auf gepackten Koffern sitzen, sondern jüdisches Leben gestalten."

Vor der traditionell orientierten Synagoge in der Haeckelstraße sagte der evangelische Theologe Wolfgang Reinbold: "Wir lassen es nicht zu, dass man Juden ausgrenzt." Wo Juden angegriffen würden, werde die gesamte Demokratie angegriffen. "Dem stellen wir uns mit aller Kraft entgegen."

Die "Ringe der Solidarität" in Hannover schlossen sich am Freitag kurz vor Beginn der jüdischen Gottesdienste am Vorabend des Schabbat. Die Gebete standen im Zeichen des Gedenkens an die Novemberpogrome der Nationalsozialisten im Jahr 1938. Damals wurden in ganz Deutschland mehr als tausend Synagogen zerstört und zahlreiche Juden getötet.

Der evangelische Kirchensprengel Hannover will die fünf jüdischen Gemeinden in und um Hannover bei der Installation von Sicherheitsvorkehrungen mit jeweils 3.500 Euro unterstützen. "Als Christinnen und Christen liegt uns der Schutz jüdischer Gottesdienste am Herzen", hatte Landessuperintendentin Bahr am Mittwoch angekündigt.

Wir stehen hier, weil wir nicht hinnehmen wollen, dass sich das Gift des Antisemitismus weiter ausbreitet wie ein tötlicher Infekt. Das Virus war ja nie weg. Aber jetzt erleben wir seinen neuen Ausbruch. Statt „Nie wieder“ „immer wieder“.

Der Anschlag auf Halle, der alltägliche Hass, eine Aneinanderreihung von Angriffen, Demütigungen, Drohungen. Ein Haus wird angezündet, ein Mann mit Kippa niedergeschlagen, Mordphantasien durch die Netze gejagt. Wir brauchen Widerstand. Jetzt. Kein Wegsehen und kein Zuschauen mehr, kein: "es ist noch nicht so schlimm". Es ist schlimm. Es reicht. Wir brauchen Widerstand - nicht gegen den Staat.

Nein, wir leben nicht 1933. Geschichte wiederholt sich nicht. Aber wir brauchen Widerstand gegen die, die das Zusammenleben der vielen, der unterschiedlichen, der Freien und Gleichen nicht ertragen. Widerstand alle Formen des Antisemitismus, gegen den groben und den feinen. Der, der ungehemmt vorgeht und der, der sich als Israelkritik verkleidet, als Verschwörungsgeschichte, in feiner Abendgesellschaft vorgetragen, ja als Akt der Meinungsfreiheit.

Antisemitismus ist keine Meinung. Widerstehen wir! Auch gegen den Antisemitismus, der in unseren eigenen Glaubensgemeinschaften vorhanden ist. Wir stehen hier, Menschen aus allen Religionen, um Euch, den jüdischen Freunden und Freundinnen, Euch Geschwistern, zu sagen: "wir sind hier!" Hier zu stehen, mit Kerzen in den Händen, das ist leicht. Eine einfache Geste. Doch wir verpflichten uns, zu widerstehen.

Wir stehen an Eurer Seite. Es wäre so schön, wenn ihr Euch keine Sorgen machen müsstet um die Sicherheit Eurer Gottesdienste, Eurer Gemeinden, Eurer Kinder. Aber so ist es nicht. Wir wollen nichts beschönigen. Widerstand beginnt mit der Anerkennung dessen, was ist. Jetzt, jetzt ist die Zeit, um um unser Land, unser aller sichere Freiheit zu kämpfen. Lasst uns nicht müde werden und einander stützen.

Ansprache von Regionalbischöfin Dr. Petra Bahr beim "Ring der Solidarität"

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